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Rechtzeitiges Rügen von zu niedrigen Anpassungen der Betriebsrente
Hält ein Empfänger laufender Leistungen aus einer betrieblichen Altersversorgung die – alle drei Jahre vom Arbeitgeber zu erfolgende – Anpassung für zu niedrig, so muss er dies dem Arbeitgeber rechtzeitig mitteilen. Die Frist wird dabei nicht gewahrt, wenn dem Arbeitgeber die eine dies bzgl. Klage zugestellt wird.
Das entschied das Bundesarbeitsgericht (Urteil v. 21.10.2014 – 3 AZR 690/12).
Der Kläger bezieht seit 1993 eine Betriebsrente, welche die frühere Arbeitgeberin zum Anpassungsstichtag 01.07.2008 unter Berufung auf die reallohnbezogene Obergrenze auf monatlich 1.452,83 Euro anpasste. Mit seiner per Telefax am 27.06.2011 übermittelten und am 28.06.2011 im Original eingegangenen Klage begehrte der Kläger eine höhere Anpassung. Die Richter erkannten eine höhere Betriebsrente an. Die zum Stichtag getroffene Anpassungsentscheidung der beklagten Arbeitgeberin sei nicht fristgerecht bis zum 30.06.2011 gerügt worden. Gem. § 16 BetrAVG müsse der Versorgungsberechtigte die Anpassungsentscheidung vor dem nächsten Anpassungsstichtag geltend machen. Dem werde nicht genügt, soweit die Klage zwar innerhalb der Frist bei Gericht eingeht, aber erst nach der Frist beim Arbeitgeber zugestellt wird.
Bindung des Erwerbers an nachwirkende Tarifverträge bei Betriebsübergang
Der Erwerber ist bei einem Betriebsübergang neben den Rechten und Pflichten aus denjenigen Tarifverträgen, welche zum Zeitpunkt des Betriebsüberganges unmittelbar gelten, auch an Tarifverträge gebunden, die zum Übergangstermin bereits gekündigt sind, aber noch eine Nachwirkung entfalten.
Das geht aus einem Urteil des Europäischen Gerichtshof hervor (Urt. V. 11.09.2014 – C-328/13). Die klagende österreichische Gewerkschaft hatte mit der Muttergesellschaft des beklagten österreichischen Konzerns einen Tarifvertrag geschlossen. Für dessen Tochtergesellschaft galt ein anderer, für die Beschäftigten ungünstigerer Tarifvertrag. Die Muttergesellschaft übertrug sodann einen Teil ihres Betriebes im Wege eines Betriebsüberganges an die Tochtergesellschaft und kündigte gleichzeitig den bestehenden Tarifvertrag mit der Muttergesellschaft. Als Reaktion kündigte die Gewerkschaft auch den Tarifvertrag mit der Tochtergesellschaft. Nunmehr wandte die Arbeitgeberin keinen Tarifvertrag mehr an, sondern gab die Bedingungen einseitig vor. Die Gewerkschaft trug in seiner Klage vor, dass der gekündigte Tarifvertrag der Muttergesellschaft für alle übergegangenen Arbeitnehmer gelten müsse, da die Tochtergesellschaft an keinen geltenden Tarifvertrag mehr gebunden sei. Die Richter waren der Ansicht Artikel 3 Abs. 3 der Richtlinie 2001/23/EG ist so auszulegen, dass die Vorschrift sowohl im Zeitpunkt des Betriebsübergangs geltende als auch zu diesem Zeitpunkt nur noch nachwirkende Kollektivverträge erfasst. Im deutschem Arbeitsrecht besteht mit § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB ebenfalls auch eine solche, auf der Richtlinie beruhende Regelung. Folglich kann die Entscheidung auch auf Deutschland übertragen werden, so dass nun jetzt feststeht, dass ein Erwerber nach einem Betriebsübergang einen Tarifvertrag auch anwenden muss, wenn dieser zwar vor dem Betriebsübergang gekündigt ist, aber noch nachwirkt.
Kündigung Spielsüchtiger ohne Abmahnung?
Die außerordentliche Kündigung eines spielsüchtigen Mitarbeiters des Ordnungsamtes, der zur Finanzierung seiner Sucht Gebühren unterschlagen hatte, ist wirksam.
Das entschied das Arbeitsgericht Düsseldorf (Urteil v. 21.10.2014 – 2 Ca 3420/14). Das beklagte Ordnungsamt warf dem bei ihr seit 23 Jahren beschäftigten Kläger vor, gebührenpflichtige Erlaubnisse erteilt und die teilweise überhöhten Gebühren – insgesamt mehr als 100.000,00 Euro – vereinnahmt eingezogen zu haben. Der Kläger räumte die Taten ein und war der Ansicht die Beklagte hätte ihn gleichwohl nicht kündigen dürfen, da ihm aufgrund seiner Spielsucht die Impuls- und Steuerungsführigkeit fehlte. Zudem sei die Beklagte nach der geltenden „Dienstvereinbarung Sucht“ verpflichtet gewesen, vor der Kündigung zunächst ein abgestuftes Verfahren zu durchlaufen. Die Richter hielten die Kündigung für wirksam. Die „Dienstvereinbarung Sucht“ sei bereits nicht einschlägig, da sich das dort geregelte abgestufte Sanktionsverfahren jedenfalls nicht auf strafbare Handlungen beziehe. Zudem habe der Kläger seine angebliche Steuerungsunfähigkeit nicht hinreichend konkret dargelegt.
Kündigung von alkoholkranken Berufskraftfahrern
Eine verhaltensbedingte Kündigung eines Berufskraftfahrers, der unter Alkoholeinfluss einen schweren Verkehrsunfall verursacht, ist jedenfalls dann nicht möglich, wenn er alkoholabhängig und zu einer Therapie bereit ist. Eine Kündigung ist nur dann möglich, wenn anzunehmen ist, dass der Arbeitnehmer aufgrund seiner Alkoholabhängigkeit seinen arbeitsvertraglichen Pflichten nicht dauerhaft nachkommen kann.
Das entschied das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (Urteil v. 12.08.2014 – 7 Sa 852/14). Der Kläger verursachte als Berufskraftfahrer mit seinem LKW unter Alkoholeinfluss einen Unfall. Diesem folgten größere Sachschäden und eine Verletzung des Unfallgegners. Im Betrieb bestand zudem ein absolutes Alkoholverbot. Gegen die vom beklagten Arbeitgeber ausgesprochene ordentliche Kündigung wandte sich der Arbeitnehmer mit seiner Klage. Da das Verhalten des Klägers auf einer Alkoholabhängigkeit beruhe, sei diesem im Zeitpunkt der Vertragspflichtverletzung kein Schuldvorwurf zu machen. Insbesondere da der Kläger zu einer Alkoholtherapie ernsthaft bereit gewesen ist, sei eine Abmahnung ausreichend gewesen.
Keine Beendigung des Anspruches auf bezahlten Urlaub mit dem Tod
Während bisher die Resturlaubsansprüche eines Verstorbenen nicht mehr abgegolten werden mussten, verstößt dies nunmehr gegen Europarecht.
Das entschied der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil (Urt. V. 12.06.2014 – C-118/13). Der verstorbene Arbeitnehmer war vom 01.08.1998 bis zu seinem Tod am 19.11.2010 bei dem beklagten Unternehmen beschäftigt und hatte noch 140,5 Tage vom Jahresurlaub angesammelt. Seine Witwe fordert nunmehr die Abgeltung des nicht genommenen Jahresurlaubes. Die Richter entschieden, dass der Anspruch auf Abgeltung des Urlaubes nicht mit dem Tod des Arbeitnehmers erlöschen darf und auf dessen Erben übergeht. Die Richtlinie über die Arbeitszeitgestaltung (Richtlinie 2003/88/EG vom 4.11.2003) sehe vor, dass jeder Arbeitnehmer Anspruch auf einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen hat. Dieser Urlaub darf, außer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden. Dabei stelle im Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Tod der finanzielle Ausgleich die praktische Wirksamkeit des Urlaubsanspruches sicher.
Fristlose Kündigung wegen des Verdachtes geklauter Fußballbildchen
Eine Verkäuferin kann gekündigt werden, soweit der Verdacht besteht, sie habe einen Karton mit Fußballbildchen entwendet.
Das entschied das Arbeitsgericht Mönchengladbach (Urteil v. 6.6.2014 – 2 Ca 1442/14). Die seit 15 Jahren bei der Beklagten als Verkäuferin beschäftige Klägerin wurde im Mai 2014 von der Beklagten beobachtet, wie sie Altpapier und Altkarton in der Papierpresse entsorgte. Dabei legte sie einen der Karton, welchen sie zuvor geschüttelt hatte, in den Kofferraum ihres Autos. Nachdem die Beklagte sie mit den Beobachtungen konfrontierte, untersuchte sie den fraglichen Karton und fand dort Fußballsammelbilder. Diese erhalten Läden zu einem Preis von 8 Euro pro Karton. Die Beklagte kündigte sodann der Klägerin fristlos. Vor dem Gericht einigten sich die Parteien sodann auf einen Vergleich. Gleichwohl stellte die Richterin Kriterien für eine wirksame fristlose Kündigung in derartigen Fällen auf: So müsse festgestellt werden, dass zum einen demr Beschäftigten der Inhalt des Kartons bewusst war sowie zum anderen . Zudem muss eine Interessenabwägung zu dessen Ungunsten ausfaällten.
Versetzung eines ehemaligen Stasi-Mitarbeiters
Die Versetzung eines ehemaligen Mitarbeiters des DDR-Staatssicherheitsdienstes von der Stelle als Wachmann beim Bundesbeauftragten für Stasi-Unterlagen auf den Posten zum Bundesverwaltungsamt ist rechtswirksam, denn d. Diese ist vom arbeitgeberseitigen Direktionsrecht gestützt.
Das entschied das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (Urteil v. 10.09.2014 – 15 SaGa 1468/14). Der Kläger bewachte diejenigen Unterlagen, an deren Entstehung und Verwaltung er während seiner DDR-Dienstzeit mitgewirkt hatte. Als er zum Bundesverwaltungsamt versetzt werden sollte, wehrte er sich dagegen im Wege des Eilrechtsschutzes. Die Richter wiesen den Antrag auf Eilrechtsschutz zurück. Die Versetzung sei vom Direktionsrecht des Arbeitgebers aus den §§ 4 TVöD, 106 GewO gedeckt. Dem stünden auch keine schutzwürdigen Interessen des Klägers entgegen.
Nachweis der Benachteiligung einer Bewerberin mit Kind
Eine mittelbare Benachteiligung einer Bewerberin wegen des Geschlechts liegt vor, wenn der Unternehmer die Bewerberinnen mit Kind aussortiert. Dies kann durch einschlägige statistische Erhebungen belegt werden. Diese muss jedoch aussagekräftig, also für den Fall gültig sein.
Das entschied das Bundesarbeitsgericht (Urteil v. 18.09.2014 – 8 AZR 753/13).
Bei der Bewerbung der Klägerin beim beklagten Radiosender um eine Vollzeitstelle als Buchhaltungskraft, gab diese in ihrem Lebenslauf den Familienstand „verheiratet, ein Kind“ an. Der sodann im Rahmen einer Absage zurückgesandte Lebenslauf enthielt bei der Angabe zum Familienstand die handschriftliche Notiz „7 Jahre alt!“. Zudem wurde die Angabe „ein Kind“ unterstrichen. Die Klägerin fühlte sich wegen dieser Angaben als Mutter eines schulpflichtigen Kindes benachteiligt und verlangte eine Entschädigungszahlung. Während die Vorinstanz der Klägerin noch 3.000,00 EURuro Entschädigung zusprach, hoben die Richter des Bundesarbeitsgerichts das Urteil nun auf. Die Klägerin könne eine Benachteiligung nicht auf die herangezogene Statistik für den Anteil von Ehefrauen mit Kind an der Gesamtzahl der Vollbeschäftigten nachweisen, da diese keine Aussage für den konkreten Fall treffe. Für die Darlegung einer mittelbaren Benachteiligung mittels einer statistischen Erhebung, müsse diese für die umstrittene Fallkonstellation aussagekräftig sein. Das Landesarbeitsgericht habe nunmehr zu klären, ob in dem Verhalten der Beklagten in Form der Anmerkungen auf dem Lebenslauf, bereits eine unmittelbare Benachteiligung der Klägerin als Frau zu sehen ist.
Bessere Kündigungsfristen für treue Mitarbeiter?
Es liegt keine Altersdiskriminierung vor, wenn Kündigungsfristen nach der Betriebszugehörigkeit gestaffelt werden. Eine solche Regelung stellt keine unzulässige Ungleichbehandlung wegen des Alters dar und verstößt auch nicht gegen EU-Recht.
Das geht aus einem Urteil des Bundesarbeitsgerichtes hervor (Urteil v. 18.09.2014 – 6 AZR 636/13). Die 1983 geborene Klägerin war seit Juli 2008 als Aushilfe bei einer Golfsportanlage des Beklagten beschäftigt. Ihr wurde mit Schreiben vom 20.12.2011 unter Einhaltung der Kündigungsfrist des § 622 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB zum 31.1.2012 gekündigt. Die arbeitnehmerfreundlichen Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes waren nicht anwendbar, da der Beklagte weniger als zehn Arbeitnehmer beschäftigte. Die Klägerin war der Ansicht, die Staffelung der Kündigungsfristen unter Berücksichtigung der Betriebszugehörigkeit benachteilige jüngere Arbeitnehmer, da langjährig beschäftigte Arbeitnehmer naturgemäß älter seien. Daher müsse die in § 622 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 BGB vorgesehene längst mögliche Kündigungsfrist von sieben Monaten für alle Arbeitnehmer gelten. Die Richter gaben der Klägerin kein Recht. Die Differenzierung der Kündigungsfristen nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit benachteilige zwar jüngere Arbeitnehmer, verfolge aber das rechtmäßige Ziel, länger beschäftigten, betriebstreuen und typischerweise älteren Arbeitnehmern einen besseren Kündigungsschutz zu ermöglichen. Die Staffelung sei auch angemessen und im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. b Ziff. i) RL 2000/78/EG. Eine Altersdiskriminierung liege daher im Ergebnis nicht vor.
Einschlafen ist kein Kündigungsgrund
Eine unmittelbare Kündigung bei Einschlafen nach dem Dienstantritt ist nicht wirksam. Sowohl im Falle des Verschlafens des Dienstbeginns, als auch im Falle des Einschlafens während der Arbeit, ist der Arbeitnehmer zunächst abzumahnen. Das entschied das Arbeitsgericht Köln (Urteil v. 19.11.2014 – 7 Ca 2114/14).
Die Klägerin war bei der Beklagten als Bahn-Stewardess im Bordservice beschäftigt. Ihr wurde gekündigt, als sie in einem Zugabteil während der Arbeitszeit eingeschlafen war und erst nach mehreren Stunden die Arbeit wieder aufgenommen hatte. Die Klägerin hatte sie bei Dienstbeginn über Unwohlsein beklagt, aber nicht förmlich krankgemeldet. Die Beklagte sah in ihrem Verhalten eine Arbeitsverweigerung und wies darauf hin, dass sie bereits abgemahnt worden war wegen Verschlafen des Dienstbeginns. Die Richter wiesen die Kündigung als unzulässig zurück. Es könne offenbleiben, ob das nicht Krankmelden und das anschließende Einschlafen eine Pflichtverletzung darstelle. Jedenfalls aber hätte es einer weiteren Abmahnung bedurft. Die bereits erteilte Abmahnung sei nicht einschlägig, da sie sich inhaltlich auf eine andere Pflichtverletzung beziehe, nämlich auf das Verschlafen des Dienstbeginnes, nicht aber auf das Einschlafen während der Dienstzeit. Die Kündigung sei daher unverhältnismäßig.